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Abb. oben: Die Kleinsiedlungshäuser im Rohbau, 1936 |
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"Siedlerstelle" für Kinderreiche Das 1935 gebaute, ca. 50 qm große Einfamilienhaus mit zwei Zimmern und Küche im Erdgeschoss, zwei Kammern im Dachgeschoss und einem 600 qm großen, für Obst- und Gemüseanbau sowie Kleinviehhaltung gedachten Garten ist Teil eines Siedlungsprojekts, das nationalsozialistischen Zielen folgte: Zum einen wollte man den Arbeiter den „völkischen Gefahrenpunkten“ der Großstadt entziehen und ihn durch den Erwerb einer "Siedlerstelle" an die „eigene Scholle“ binden, die allein zur Mehrung "volksgesunder, kinderreicher Familien" geeignet schien. Zum anderen sollte die Architektur ein "bodenständiges Gesicht" zeigen. Dem entsprachen die nach den "Reichsbauformen" konzipierten Siedlerhäuschen mit verbretterten Giebeln und schwäbischen Satteldächern. Agrarromantik versus Rüstungsindustrie Bis 1936 entstanden auf dem 3 Hektar umfassenden, im Rastermaß parzellierten Areal im Bärenkeller 146 "Siedlerstellen" in Einfamilien- und stilistisch vergleichbaren Doppelhäusern, die an "politisch zuverlässige, rassisch einwandfreie und gesunde" Familien vergeben wurden. Drastische Sparmaßnahmen zwangen ab 1937 zur Aufgabe der ideologisch verbrämten Agrarromantik. Als die Rüstungsindustrie Wohnraum für ihre Arbeiter beanspruchte, errichtete die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Augsburg in mehrgeschossigen Häusern billige "Volkswohnungen" mit maximal 42 qm Wohnfläche. Den Abschluss der NS-Baumaßnahmen im Bärenkeller bildeten "Behelfswohnungen", die gemauerten Baracken gleichkamen. Leben auf engstem Raum Dass die Umsetzung der propagierten Siedlungsphilosophie zum Scheitern verurteilt war, zeigt schon das Beispiel der ursprünglichen Eigentümer des Einfamilienhäuschens Lange Gewanne 25. Bereits beim Einzug musste die damals fünfköpfige Familie eines Kraftfahrers aus finanziellen Gründen das Dachgeschoss an ein Ehepaar mit Kind vermieten. Generell wies der Bärenkeller die höchste Belegdichte aller Augsburger Wohnsiedlungen auf, erfüllte damit die Voraussetzung für "ein gesundes Bevölkerungswachstum" in keiner Weise, sondern konterkarierte eher das nationalsozialistische Idealbild einer "Mustersiedlung für Kinderreiche". Während das lange von Nachfahren der Erstbezieher bewohnte Anwesen Lange Gewanne 25 kaum Veränderungen zeigt, erfolgten bei den meisten Nachbarhäusern Umbauten, die zu einer erhöhten Wohnqualität beitrugen.
Verwendete Materialien
in Kürze!
Abbildungen Neue Augsburger Zeitung vom 25.8.1936, Maria Hennl, Bauakten Stadt Augsburg, Privatbesitz, Wohnaugesellschaft (WBG)
Literatur
Fürmetz, Gerhard / Nerdinger, Winfried / Wolf Barbara (Hg.): Häusergeschichte(n). Augsburger Häuser und ihre Bewohner. Augsburg 2009, S. 52-53.
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